Göttin

Du bist ein Lied mit streichelwarmen Tönen
Du bist eine Blume, anmutig, zart und beeindruckend unbeugsam
Du bist Sonne, leuchtend zwischen Wolkenfetzen, erwärmst unsere Welt
Du bist Zärtlichkeit – unter deinen Händen zerschmilzt jeder Widerstand.

Du bist ein Gemälde, dessen Farben alle bewundern
Du bist ein Gedicht, das jeden berührt und dessen Text doch niemand so richtig versteht
Du bist ein Lied, das der Wind vorbeiträgt, sodass man verträumt stehen bleibt, um sich dann umzusehen und zu fragen, was das war und wo du schon wieder hin bist

Du bist flüchtig wie der Wind, entkommst jedem Käfig
Freiheit ist deine Bestimmung.

Du bist Frau, Mensch, Göttin.

So viel wurde dir genommen, immer noch alles gibst du.
Und deine Liebe gebiert Welten.

Verstehen.

das Kribbeln in dem Moment
als wir uns verstehen
wie Strom zwischen uns
von einer Sekunde auf die andere summt die Luft
die Verbindung brummt und vibriert
kann ihr kaum standhalten
das Lächeln tut fast weh im Gesicht.

kurze Pause. atmen. dann – nochmal.

es vibriert noch, rauscht in den Ohren, kribbelt auf der Haut.
blendet.
kurz ein Schwanken wie zwischen Lachen und Weinen, als Emotionen sich Bahn brechen

Ich sehe dich.

Dann tropft der Moment zu Boden
brennt sich dabei ins Gedächtnis wie hauchzarte Tinte auf der Haut
Farben überall, wirbeln, rufen noch, verklingen
mittendrin bleiben zurück
wir. ich. du.

Seifenblase

du und ich in einer Seifenblase, schillernd und spiegelnd, mit ganz wenig Platz und ganz viel nackter Haut
du und ich in einer Seifenblase, und die Luft ist hellblau und voller Musik (nicht die kitschige aus dem Radio, sondern eher so Liszt oder Bosse oder manchmal Punkrock)
du und ich in einer Seifenblase, und da ist niemand, der hineinpiekst mit kindlichen Fingerspitzen und sie platzen lässt, sodass nur Seifenschaum zurückbleibt und ein schaler Geschmack auf der Zunge und ein Gefühl wie ein bisschen enttäuscht
du und ich in einer Seifenblase, für ein paar Minuten Herzschläge Jahrtausende täglich

die Seife macht unsere Haut klebrig
das Glitzern der bunten Wände spiegelt sich in den Augen
wirft Reflexe auf die Haut

du und ich in einer Seifenblase
wabbeln und schweben irgendwie hindurch durch etwas, das mal Alltag war
schillernd und spiegelnd, mit ganz wenig Platz und ganz viel nackter Haut.

Danach

Es war Sturm.
Hat schrecklich gewütet und viel verwüstet.
Seit dem Morgen ist Stille eingekehrt
Die Schmerzen sind vergangen
Die Verwirrung hat sich verflüchtigt.

Eine kahle Ebene taucht aus dem Nebel
Ein paar Trümmer
Baumstümpfe
Keine Farben

Kein Vogel ist zu hören.
Auf einem Stein, ganz ruhig, sitzt ein Ich.
Sitzt nur da und ist.
Denkt nicht. Fühlt nicht. Sitzt nur. Wartet.

Unbeweglich wartet es
Dass die Zeit ihm
Die Sonne wiederbringe.

nachtgesichter

Es ist ja so plötzlich dunkel geworden!
nein, flüstert die nacht, ich war immer schon da

heute hat sie regen mitgebracht
die häuser schneiden sich gegenseitig grimassen
und spiegeln sich im bodennass
weiß der schuhladen
gelb der bäcker
flimmernd das casino

tropfen knistern auf schirme
die die dunkelheit entfärbt hat
und warten nicht, bis du ihre gewisperten worte
entschlüsselt hast
hastig nehmen sie dein fragen und deine warmen füße
und kicherglitzern weiter

stadtnacht nachtstadt
wie schwestern flüstern die beiden dir ins ohr

jenseits von menschen und sonne
tropfen geschichten auf den stein.

Mord

Schäfchen zählen jede Nacht
Irgendwann färbt sich der Himmel blutrot
Wer zur Hölle schlachtet meine Schäfchen ab?

Ein Teufel in mir
Der sich noch ins Fäustchen lacht

Und dann sein dunkles Werk beginnt
Und jeden Gedanken vergiftet.

Ein Irrtum 

Was kannst du mir schon zeigen
Außer den Sternen am Himmel
Den Spiegelungen im Wasser
Und den Gedankenbildern deiner Vergangenheit

Was kannst du mir schon zeigen
Außer leben und küssen und lachen und reden
Und mich verlieren in dir

Was kannst du mir schon tun
Außer mich in Fernen zu entführen
Und mich dort allein zu lassen
Ganz weit fort
Von mir

Ich hätte es wissen müssen
Doch ich dachte mir wohl
Was kannst du mir schon tun.

Wunder

Ich kann nicht aufhören dich anzusehen.
Gott mag sich viel merkwürdiges gedacht haben
Aber du warst ein guter Gedanke.
Ich seh dich lachen
Ich seh dich reden
Ich seh dich denken
Ich seh dich lächeln
Und es ist ein Wunder
Dass es dich gibt
Und dass du hier bist
Bei mir.

Und wenn du fort gehst
Wirst du mir bleiben
Mit deinem Zwinkern
Deinem Lachen
Deinen Bewegungen
Deinen Geschichten.
Mit allem was du bist
Machst du mir klar
Dass leben schön ist.

Vermächtnis

Indianer seh ich flüchten
Wir haben sie vertrieben
Aus ihren Verstecken
Den letzten.
Wale seh ich ziehen
Wir haben ihre Artgenossen gemordet
Und ihre Weisheit missachtet
Nun fliehen sie.
Bäume seh ich fallen, wir schlagen sie
Menschen seh ich frieren, wir lassen sie
Hoffnung seh ich keimen, wir ersticken sie
Mit Stolz
Und Macht.

Planeten seh ich ziehen
Sie halten sich fern von uns
und kreisen
Weit fern in anderen Zeiten
Ob es dort besser ist?

Verletztes Kind

Gerade eben hast du noch gelacht
Jetzt schaust du mich an wie verletztes Kind
Hast dich in der letzten halben Stunde in den hintersten Winkel deiner selbst verkrochen vor deinen Gedanken
Die so laut flüstern, dass selbst ich sie fast hören kann
Die dich so ausfüllen, dass deine Hülle zu zerplatzen droht (wie ein Luftballon)
Gleitest immer weiter weg von uns
Ich kann es sehen
Ich sehe die unsichtbaren Tränen, die die Nacht dir aufs Gesicht malt.
Ich höre die Anstrengung in deiner Stimme, wie du versuchst die Dämonen zu im Schach zu halten.
Ich fühle deinen Herzschlag, so unendlich weit entfernt, fast schon nicht mehr zu spüren.
Ich schmecke den Alkohol in deinem Blut, der dein Freund sein sollte heute Abend
Und der dich jetzt so hinterlistig an die Verzweiflung verrät, die unter dem Tisch lauert.

Und deine Augen sind schwarz von dem Gedanken an das Jetzt und das Gestern und das Morgen.

Wie ein verletztes Kind sitzt du da und jeder sieht, dass du ganz weit weg bist von all dem hier,dass du dich selbst wiederzufinden versuchst in dem Durcheinander in deinem Kopf
Dem Durcheinander aus Einsamkeit und Sorgen und Promille und Erwachsenseinmüssen (so jung)
In einer Welt, die dich nicht versteht und die du nicht verstehst (obwohl zumindest einer von euch sich anstrengt)
Und die dich heute Abend zwischen Menschen und Lampions und Gelächter so unheimlich traurig macht, dass du wohl weinen würdest
wenn da irgendwo noch Kraft in dir wäre

Und so weine ich für dich.
Ganz leise, innen drin
Und die Nacht malt uns unsichtbare Tränen aufs Gesicht.

Schachspiel

Ich spiele Schach

Schwarz, weiß, schwarz, weiß

Ich bin Spielfigur, Figurspiel

Angst vor der Dame, Angst vor der Mittellinie, Angst vor dem Feld, auf das man mich zwingt

Angst vor meinem Zug, der Entscheidung, dem Weg

Der gegnerische Turm wirft seinen Schatten über mich.

Aufschrei

Hat man dir den Mund zugenäht, Kreuzstich, dreimal, dass du nicht sprichst? Nicht sagst, was deine Meinung ist, nicht preisgibst, wer du wirklich bist, nicht herausschreist, was dich stört, keine Lieder singst von dem, was du liebst?
Hat man deine Augen zugeklebt, die Lider mit Panzertape an die Wangen, dass du sie nicht öffnest und erblickst, was Recht und Unrecht ist und Realität? Dass du die Wunder verleugnest, die vor dir geschehen und die Sonne verabscheust, wenn sie dir Licht macht?
Hat man dir den Kopf fixiert in einem Schraubstock, dass du ihn niemals drehst und dorthin schaust, wohin es auch mal Mühe macht zu schauen?
Hat man dir Nase und Ohren verstopft, dass du den Gestank von Zerstörung und den Klang von Euphemismen nicht wahrnimmst, der dich umgibt, hat man dir die Zunge abgeschnitten, dass du nur schnappst wie ein sterbender Fisch und deine eigene Faulheit nicht schmeckst?
Hat man dir die Kehle geöffnet, dass du alles schluckst, was man dir vorsetzt, ohne den Gehalt zu hinterfragen?
Sind deine Hände gebunden, dass du sie so tatenlos herumliegen lässt, keine Mauern damit einreißt, keine Menschen damit tröstest, und sind deine Füße geknebelt, dass sie dich nirgends hintragen, wo es etwas anzupacken gibt?
Hat man dich kahl geschoren und deine Kleidung gestohlen, dass du dich so kleinmachst, dass nicht mal Ausreden dich noch glaubhaft wirken lassen? Hat man dir das Herz herausgeschnitten, dass es sich nicht für Dinge begeistert, und das Gehirn entnommen, dass du nicht mehr selbständig denkst, hat man dir deinen Willen geraubt, dass du dich so flügellahm unterordnest,
verdammt noch mal

hast du es denn nicht gemerkt?

zwei.

ich male auf dich
mit meinen lippen
sanfte worte
deine weiche haut
ezählt mir geschichten
ich will sie hören
lufthauchendes flüstern kitzelt mein ohr
von oben dringt musik
wir lachen leise.
rücksichtsvoll schließt die dunkelheit die augen
während wir uns kennenlernen.

regen im kopf

ich will gern worte finden für dich
doch wenn ich die augen schließe
sehe ich nur wasser vom himmel fallen
es regnet in meinem kopf
die worte verwischen
und das papier bekommt dunkle flecken
und du wirst nie hier sein

VERDAMMT ALLES NASS

so kann ich nicht schreiben. ende.

mitternachtsengel

und während ich fremd
und allein
durch den weiten ozean des vergessens wandle
schlagen
weit unter mir
die wellen der ewigkeit
gegen die mauern
aus stein
und
licht.
und der engel sagt
dreh dich um
und ich tue es
und sehe die
die mir
treu gefolgt sind
durch jahre hindurch!

Scherben

Und manchmal schüttelt die Person im Spiegel verachtungsvoll den Kopf
Und wie sie dich so ansieht, schüttelt es dich
Alles liegt plötzlich bloß und brach
Alles hast du falsch gemacht, alles hast du falsch gesagt, alles hast du falsch gesehen
Und du siehst, wie sich die Person im Spiegel langsam von dir abwendet
Als könne sie deinen Anblick nicht länger ertragen
Und du weinst und flehst, doch sie wendet sich ab
Und du schreist und bettelst, doch sie wendet sich ab
Und du fluchst und beteuerst, doch sie wendet sich ab von dir
Ein unerträglich hoher Ton
Der Spiegel zerspringt
Und du kannst sie nicht mehr sehen.
Und nichts bleibt zurück von dir und ihr
Als ein Klirren
Und ein Haufen Scherben.

Zauber

Ein Mann fuhr des Nachts mit dem Boot hinaus
Weit draußen ließ er sich treiben und lauschte dem dem Schweigen der Nacht
Etwas Leuchtendes im Wasser ließ ihn aufblicken
Neugierig ruderte er hinzu, um nachzusehen, was es sei
Es war der Mond
Der rund und voll in den Wellen schaukelte
Und sie aussehen ließ wie flüssiges Silber.
Sterne waren auch vom Himmel gefallen
Nun trieben sie auf dem Wasser dahin
Der Mann saß in seinem Boot und staunte
Welch Zauber, dachte er
Und das Blau des Wassers verschwamm und mischte sich am Horizont mit dem Himmel.

mitgenommen.

da lag einer rum. grad neulich, einfach so.
ist wohl umgefallen.
ich dachte mir, ich kann ihn doch nicht dort so liegen lassen
und hab ihn mitgenommen
und bei mir zu haus an die wand gehängt.
nicht besonders weit oben
auf posterhöhe ungefähr.
da hängt er nun und guckt.
kichert mit den sonnenstrahlen
tratscht ein bisschen mit van goghs “café terrace at night“
gibt seinen kommentar zur neusten errungenschaft in meiner teekannensammlung ab.
am liebsten schaut er mir beim ausschneiden der wörter aus zeitschriften zu.
dann glänzen seine augen, während er lautlos aus den wörtern sätze formt, die niemand versteht.
besser als da rumzuliegen, wo er umgefallen ist, ist es jedenfalls, denk ich mir
und schneide wörter aus zeitschriften aus.
und über mir, auf posterhöhe ungefähr, hängt jemand
und schaut mir zu.

 

Meine Schwester Mia

Das alles geschah eigentlich nur, weil meine kleine Schwester Mia plötzlich ein Baum werden wollte. Sie hat manchmal solche Einfälle.
„Hast du dir das auch gut überlegt?“, fragte Dad ernst.
„Das ist eine wichtige Entscheidung, Mia“, ergänzte Mum. Um ihre Mundwinkel zuckte es und dann lachten sie beide.
Aber Mia wollte. Sie wollte unbedingt. Ein Baum werden.
Trotz der anbrechenden Dunkelheit lief sie sofort in den Garten. Dort stellte sie sich mitten auf den Rasen Weiterlesen

momentaufnahme

da ist er. genau da. dieser moment
in dem sich alles die waage hält.
so perfekt, so unzerstörbar, so ewig
so versunken in sich selbst steht sie da.
er hat ihren tanz von der letzten reihe der empore aus verfolgt
in sich zusammengesunken, mit verknoteten händen, um das zittern zu kontrollieren
heimlich, als mache ihm die perfektion zu schaffen
als könne er es nicht ertragen, sie nur für sich tanzen zu sehen
nein, er will nur das.
die einsamkeit, mit der sie die bühne betritt
die versunkenheit, mit der sie den saal füllt bis in die letzten reihen
er will nur das. den traum. die perfektion.
sie. in der dehnung, ohne angst vor fremden augen
alles konzentriert auf das eine, das große.
das große, das innen ist.
diesen moment will er, wenn sie nur für sich tanzt
wenn alles, was innen ist, sich nach außen kehrt
und er weiß, dass es ungehörig ist, was er tut
denn es ist ihr traum, in den er sich drängt, ihre seele, die er bloß legt, ihre perfektion, die für niemanden gedacht ist, auch nicht für ihn.
und er rutscht tiefer in den weichen sitz.
da ist er, der moment
in dem sich alles perfekt die waage hält. der traum. die perfektion.
er will nur das.


Auch zu finden in: Rossi, M. (Hrsg.): Aus meiner Feder – Berührungen: 3. Band der Trilogie “Aus meiner Feder”. Elbverlag Magdeburg 2014

tunneljunge

da war sie auch schon wieder an ihm vorbei – ein einziger farbwirbel aus strampelnden beinen, roten haaren und einem grünen fahrrad – hinaus aus dem tunnel ins helle sonnenlicht, das die farbe auf den steinplatten aufleuchten ließ
wie jeden tag, vorbei an ihm, wenn er da stand und wartete, dass sie kam.
manchmal blieb sie fort. dann stand er vergeblich im dämmrigen neonlicht der spinnennetzverklebten deckenlampen, die ihren matten schein im tunnel verbreiteten, sodass man die graffiti erkennen konnte, wenn man genau hinsah.
wenn sie aber kam, hörte er es schon von weitem: das leichte rasseln ihrer fahrradklingel, das summen der reifen auf dem gefliesten boden, das laute schaben der bremse, wenn sie das fahrrad um die ecke riss, wie es sonst nur die halbwüchsigen in ihren gangs taten.
fast zu tode erschreckt hatte sie ihn das erste mal damit
nicht dass sie es gewusst hätte.
nicht dass sie denken würde, er stände ihretwegen hier, jeden tag aufs neue, in der matschigen dunkelheit zwischen verblichenem grafitto und dem ausgang, um sich beim schaben der bremse an die wand zu drücken – und wenn sie vorbei war, aus dem schatten zu treten und ihr nachzublicken – tausend farbkleckse unter flammend roten haaren – mit nur einem gedanken
ich bin ein nichts.

schritte, dann biegt sie um die ecke, zu fuß, das fahrrad schiebend. ein ängstlicher blick auf ihn und das erstaunen auf ihrem gesicht, als er auf sie zu tritt, die kapuze aus dem gesicht schiebt und ihr hilfe anbietet, lächelnd.
es sei die kette, sagt sie, und lässt sich helfen.
schon erledigt.
dann stehen sie zusammen draußen im hellen licht und wissen irgendwie nicht recht weiter, ob er sie begleiten solle, er tue es gern
sonne lässt ihre haare aufleuchten.

der tagtraum verglomm wie ein zigarettenstummel in der feuchten dunkelheit und ließ ihn bei den grafitti zurück mit nichts als der erwartung, sie werde noch kommen, vielleicht zu fuß, dass er sie ansprechen könne, aber nein.
tunnelratte. spinnengesicht. gullyjunge. es hallt in seinem kopf und er drückt sich an die wand, wenn sie kommt, jeden tag, nur ein schatten im grünen neonlicht, das einen die graffiti erkennen lässt, wenn man genau hinschaut.

Hund

Ich wünschte, ich könnte dir von dem Hund erzählen.
Dem traurigen, schwarzen Hund in mir.
Ich wünschte, ich könnte dir davon erzählen, wie er sich anpirscht, über Stunden und Tage
Wie er sich duckt und mit den Schatten läuft
(Ich kann ihn sehen aus dem Augenwinkel und er macht mir Angst, oh solche Angst)
Wie er mich anspringt zuletzt.
Ich wünschte, ich könnte dir sagen
Dass ich nicht deinetwegen weine
Nicht deinetwegen schweige
Nicht deinetwegen so weit weg bin
Dass es seine Schuld ist
Und nicht deine.

Und so liegen wir
und schweigen.

Ich wünschte, ich könnte dir erzählen, wie er sich breit macht in mir
Meinen Mut frisst
Meine Kraft verschlingt.
Ich wünschte, ich könnte beschreiben, wie er sich zu mir legt
Und mit treuen Hundeaugen zu mir aufschaut, in denen steht
Deine schuld
DEINE Schuld
DEINE EIGENE SCHULD
Ich wünschte, ich könnte es dir sagen
Doch wenn ich es versuche
Legt er mir die schwarze Pfote auf den Mund

Und so liegen wir
Und schweigen
Und wünschen
Bis du dich zur Wand drehst.

Lächeln

Steine prallen an meine Fenster
Feuer verbrennt alles, was ist
Wellen brüllen an meiner Steilküste
Stürme toben durch meine Welt.
Ich sehe Farben zersplittern und Berge aufreißen
und versinke, gepeinigt und angstvoll und klein
im Menschenleer.
Aber wenn ich deine Stimme höre
wird alles ruhig
und fühlt sich an
wie Lächeln.

Krümel

Eingesperrt im Gedankenknast, Flasche leer Kopf voll, Stille dröhnt aus allen Ecken
Wecker tickt Zeit steht
Durch die Gitterstäbe krümeln Bilder, dein Gesicht mein Gesicht ein Haufen Tränen, krümeln alles voll und kratzen auf der Haut
Wecker tickt Zeit steht
Weit fort bin ich kann mich nicht finden, Zeit leckt schon an den Spuren, lässt verblassen alte Ichs und Dus
Wecker tickt, Zeit steht.

Gäste

Unten am Treppenabsatz musste sie Halt machen und verschnaufen, wie immer, wenn ihr nach der Arbeit die Erschöpfung in den Knochen saß und die Stufen unerträglich hoch schienen. Sie sperrte die Wohnungstür auf und trat in den Flur, wo der Anrufbeantworter stumm auf dem Tischchen saß und die Dunkelheit ihr leise Worte ins Ohr flüsterte. Mit einem Glas Wein und einer Zigarette saß sie noch eine Weile auf dem Balkon, lauschte den Geräuschen der Straße und vermied es, an die Stille zu denken, die in den dunklen Ecken ihrer Wohnung lauerte. Wenn sie es doch tat, packte die Einsamkeit sie manchmal so sehr, dass sie sich zitternd die Arme um den Körper schlang, um nicht auseinanderzufallen.

Wer kann sie schon ertragen, diese Einsamkeit, wenn sie angeschlichen kommt und einen überfällt in den Minuten, die bleiben, bis der Tag stirbt und die Stadtlichter den Nachthimmel in Brand setzen. Wer kann es schon ertragen, wenn die Zimmer kalt sind und leer, und die Erinnerungen ungefragt den Raum betreten und sich lästig breitmachen wie ein ungebetener Gast. Wer kann solch ungebetene Gäste schon ertragen, wenn sie Bilder in die Luft malen, die innen drin schmerzen, und die einen klein werden lassen wie ein Kind in der Nacht.

nur so ähnlich wie heimkommen

es ist nur so ähnlich wie heimkommen. bonjour altes leben, ich sag den bäumen hallo
fotos zeigen, geschichten tauschen
in der dachbodenecke lebt noch das kinderspielzeug.
mich alt fühlen und es nicht sein, woran erinnert mich das gefühl … woran … achja
habe mich als kind in einen türrahmen gestellt, hände und füße fest an das glatte
holz, nicht drinnen und nicht draußen
damals genossen das gefühl zwischen zwei welten zu stehen
heute macht es mich einsam
streifen durch alte zimmer, die gedanken trotzdem beherrscht von alltag und
stadtlärm
nur kurz unterbrochen von erinnerungen zwischendurch
oma mit einem goldenen ring in der hand, ein lied am abend,
geburtstagsgeschenke …
trotz waldluft noch den asphaltgeruch in der nase.
aber ich bin hier und nicht dort, es sollte sich vertrauter anfühlen …
ich nehme den alten rosa teddy vom regal.
schnuppern
es riecht nach staub, nach zurückgelassen, nach weitergegangen
mit einem niesen zurück durch die tür in die sonne, die den flur in warmes licht
taucht.
bonjour altes leben
ich bin nur auf der durchreise
lass mich eine nacht bei dir verweilen
bis es weiter geht.

zu viel.

hast auf die nacht gewartet
dass sie dich herausfordert
hast dich hübsch gemacht, hast alle sorgen weggetrunken
traum, wummern, bässe, vibrieren, schwebende lichter
alles tanzen, alles sich-hingeben mischt sich mit vergessen und wodka
und plötzlich kehrt sich alles um und dein herz zerfetzt sich selbst in winzige
stücke und dann kotzt dir die erinnerung auf die füße und dann schlägt dir die realität mitten ins gesicht, knallhart

hast auf die nacht gewartet
dass sie dich herausfordert
war vielleicht zu viel davon.

war vielleicht zu viel verkleidung, zu viel maskenball
zu viel für deine dünne hülle, wie willst du auch gedankenlos die welt vergessen,
wenn dich das leben so fickt und nachts um 3 nichts mehr da ist außer weinen im treppenhaus.

hast dich selbst herausgefordert.
war vielleicht zu viel davon.